Sonntag, 19. Juni 2016

Gedanken nach fast zwei Jahrzehnten Tafel-Besuch



Es war oft hilfreich, denn es hat schlechte Zeiten gegeben.
Mehr als genug.
Und das Aufbrechen von Containerschlössern liegt mir nun einmal nicht (Grusz an die Freeganer!).
Ich habe nichts davon weggeworfen (auszer es war allzu verschimmelt, was in der Eile vorkommen konnte) und mich oft dankbar darüber gefreut.
Dinge dabei, die ich nie hätte kaufen können...
denn es sind oft nicht die billigsten Produkte, welche bis übers Verfalldatum liegen bleiben im Markt.

In unsere Stadt kommt die mobile "Tafel" nur einmal aller zwei Wochen.
Da heiszt es dann: gut einteilen das Zeug.
Backwaren werden eingefroren, Gemüse sofort verputzt, blanchiert und in Portionen verpackt im Gefrierschrank gelagert.
Meine kleine Gefrierbox hat mir da immer gute Dienste geleistet.

Ein herzliches Dankeschön an die ehrenamtlichen Helfer, die oft bis an ihre Grenzen gingen mit dem zunehmendem Menschenstrom
und die gute Ideen brauchten, um Drängelei und eskalierende Situationen zu vermeiden.
Sie sind immer nett und für uns da.
Das ist ganz und gar nicht selbstverständlich.

Die andre Seite: der Donnerstag aller zwei Wochen war bei mir immer der Tabu-Tag. Wo nichts anderes ging.
Denn der Tag ging voll drauf mit Ansteherei (winters in eisiger Kälte), und dann den Rest des Tages Gemüse verputzen.
Das muszte immer gleich geschehen, denn am nächsten Tag war es sonst nur noch zum Wegwerfen.
Was hab ich für Zeit damit verbracht, schimmeligen Spargel zu schälen, schwarzfleckige Möhren, vertrockneten Rosenkohl.
Matschige Tomaten gleich geschmort, kritisches Obst sofort zu Smoothies verarbeitet...
Einerseits ein Segen: viele schöne Dinge zu essen, andererseits aber ein anstrengender Tag, der häufig nur der Tafel gehörte...

Neulich konnte ich nicht hingehen aus wichtigem Grund.
Das kommt schon mal vor .
Und nicht selten haben wir in solchem Fall auch einander ausgeholfen... aber diesmal wollte ich das nicht.
Ich sags jetzt mal ehrlich: ich hab das ewige Armutsthema einfach nur gründlich satt und keinen Bock mehr auf "Gammelzeugs"!
Die ewigen altbacken eingefrorenen Brotscheiben, vorm Verzehr etwas aufgetoastet...
Dinge essen, die ich nie kaufen würde: Kartoffelchips, Weiszmehlprodukte, Erdbeerjoghurt... Dinge, die mir überhaupt nicht schmecken.
Ab einem gewissen Alter sind Bananen einfach nur noch eklig und unverzehrbar. Dann kamen sie in den Smoothie, der davon aber auch nicht leckerer wurde...

Und fragte mich jemand nach meinem Lieblingsgericht, wuszte ich darauf nichts zu sagen, denn es ist Jahre her, seit ich das zum letzten Mal gemacht habe.
Denn immer fehlt dafür irgendwas und für Rezepte interessiere ich mich sowieso nicht.
Weil ich nie alle nötigen Dinge gleichzeitig habe...
Da wird Kochen zur kreativen Herausforderung (meist gelingt es mir auch) und Geschacksanimositäten hat man sich sowieso längst abgewöhnt...

Nein, ich hab keinen Bock mehr auf das alles!
Und ich brauche keine Kartons mit Backmischung für Glitzerherzen oder Oreo-Cupcakes. So etwas zuzubereiten macht mir nämlich überhaupt keinen Spasz! Ich spiele nicht gern mit Essen herum und nehme lieber Mehl, Zucker, Eier, Nüsse, Äpfel... um einen Blechkuchen zu backen. Der schmeckt allemal besser als solcher Firlefanz.

Also hab ich den nächsten Tafeltag dann auch ausfallen lassen.
Einfach so. Ohne Grund.
Habe den geschenkten Tag sehr genossen, streszfrei in aller Ruhe für mich.
Und hab mir im Aldi ein Brot ausgesucht, das mir scheckt.
Voller Genusz in ein *frisches* Zwiebelbaquette gebissen und Tomaten ohne Matschseitedazu.
So läszt es sich leben!

Natürlich geht das für mich nicht auf Dauer.
Eines Tages musz ich doch wieder dort hin.
Spätestens, wenn der Schornsteinfeger die Heizung gesperrt hat oder anderes in der Richtung.
Das schmale Haushaltsbudget einer EU-Rente ist schnell weg für den gesamten Monat... und der Status eines ganz normalen Lebens wird zerbrechlich bleiben bis an mein Lebensende.
Altersarmut ist bereits vorprogrammiert.

Irgendwann musz ich doch wieder hingehn.
Und irgendwann gehe ich dann auch wieder gern.
Letztlich ist die Tafel doch der einzig verbliebene Ort für Sozialkontakte -

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